Wie beeinflusst der Zeitgeist die Rechtsanwendung - und umgekehrt? Dieser Frage geht Tobias Singelnstein aus einer interpretativen kriminologischen Perspektive am Beispiel der Strafrechtsanwendung nach. Der Autor entwickelt ein Konzept außergesetzlicher Anwendungsregeln, die die Rechtsanwendung leiten und so außerrechtliche Einflüsse in den Kriminalisierungsprozess transportieren. Diesen Ansatz verbindet er mit der sozialwissenschaftlichen Diskursanalyse im Anschluss an Foucault. Danach können gesellschaftliche Wissensbestände als interpretativer Rahmen von Kriminalisierungsprozessen verstanden werden. Mit diesem Modell analysiert Singelnstein, wie gesellschaftliche Vorstellungen über Kriminalität die Rechtsanwendung prägen und welchen Einfluss diese Praxis wiederum auf gesellschaftliche Vorstellungen hat. Er erklärt so, wie inhaltliche Grundlagen für die Zuschreibung im Kriminalisierungsprozess gebildet werden und wie sie über die herausgearbeiteten Anwendungsregeln in die Rechtsanwendung gelangen. Von diesen Befunden ausgehend widmet er sich sodann dem Aspekt der Macht, die der Rechtsanwendung im Kriminalisierungsprozess angesichts dessen innewohnt. Hierfür zieht er den Ansatz der Gouvernementalität heran. Damit legt der Autor eine in der 'Recht und Gesellschaft'-Forschung zu verortende Arbeit vor, die die in den Sozialwissenschaften vieldiskutierten Konzepte der Diskursanalyse und der Gouvernementalität für die Kriminologie, die Rechtstheorie und -soziologie fruchtbar macht.

1;Vorwort;8 2;Inhaltsverzeichnis;10 3;A. Einführung;14 3.1;I. Forschungsgegenstand und Fragestellung;14 3.2;II. Ziel der Arbeit;16 3.3;III. Gang der Untersuchung;19 4;B. Theoretische Verortung;21 4.1;I. Soziologische Theorie;21 4.1.1;1. Interpretatives Paradigma;22 4.1.2;2. Ansätze und Entwicklung;23 4.1.3;3. Diskurs als Konzept im interpretativen Paradigma;26 4.1.4;4. Zusammenfassung;29 4.2;II. Kriminologische Theorie;29 4.2.1;1. Überblick;30 4.2.2;2. Die Labeling-Perspektive;31 4.2.3;3. Neuere Ansätze;34 4.2.4;4. Weitergehendes Erkenntnisinteresse;36 4.3;III. Zusammenschau und Ausblick;37 5;C. Rechtsanwendung im Prozess der Kriminalisierung;40 5.1;I. Instanzen und Spielräume;40 5.1.1;1. Das Wirken der Instanzen;40 5.1.2;2. Sachverhaltsfeststellung und Kontingenz;42 5.1.3;3. Normen und Interpretationsspielräume;44 5.1.4;4. Fazit und Relevanz;50 5.2;II. Spielraumausfüllung und außergesetzliche Regeln;52 5.2.1;1. Zur Rolle außergesetzlicher Regeln;52 5.2.2;2. Konzepte und Formen;55 5.2.3;3. Entstehungsbedingungen;59 5.2.4;4. Wissen als übergeordnete Ebene;64 5.3;III. Zusammenschau;66 6;D. Diskurs und Kriminalisierung;68 6.1;I. Anschlussfähigkeit des Diskurskonzepts;68 6.1.1;1. Kontingenz und Wissen;68 6.1.2;2. Erkenntnisinteresse;72 6.2;II. Diskurs als gesellschaftliches Wissen;74 6.2.1;1. Begriff;74 6.2.2;2. Struktur;80 6.2.3;3. Wandel;86 6.3;III. Effekte des Diskurses;91 6.3.1;1. Konstituierung von Wirklichkeit;91 6.3.2;2. Recht und Strafverfolgungsinstanzen;95 6.3.3;3. Diskurs als Wissensrahmen;98 6.4;IV. Formierung des Diskurses;102 6.4.1;1. Tiefenstruktur und Anwendung;102 6.4.2;2. Initiierung;105 6.4.3;3. Etablierung;109 6.4.4;4. Bedeutung des Rechts;112 6.5;V. Zusammenschau;114 7;E. Kriminalisierung als diskursive Praxis;115 7.1;I. Wissen und Kriminalisierung;115 7.1.1;1. Rolle des Wissens;115 7.1.2;2. Bedeutung der Subjekte;118 7.1.3;3. Fragestellungen;120 7.2;II. Diskursgeleitete Rechtsanwendung;123 7.2.1;1. Wissen als Grundlage;123 7.2.2;2. Wege des Wissens;125 7.2.3;3. Außergesetzliche Anwendungsregeln;129 7.2.4;4. Definitionsmacht des Diskurses;135 7.3;III. Formierung durch die Instanzen;136 7.3.1;1. Wissen und Wandel;136 7.3.2;2. Anwendungsregeln als Mechanismus der Formierung;139 7.3.3;3. Kriminalität der Instanzen;141 7.4;IV. Methodik und Schritte einer empirischen Umsetzung am Beispiel von Delikten mit extrem rechtem Hintergrund;143 7.4.1;1. Zur Methodologie und Methodik der Diskursanalyse;144 7.4.2;2. Allgemeiner gesellschaftlicher Diskurs über die extreme Rechte;148 7.4.3;3. Spezialdiskurse über Delikte mit extrem rechtem Hintergrund;154 7.4.4;4. Rechtsanwendung im Wandel;157 7.5;V. Zusammenfassung;164 8;F. Macht und Kriminalisierung;168 8.1;I. Kriminalität und Macht;168 8.1.1;1. Bisherige kriminologische Ansätze;168 8.1.2;2. Diskurs und Macht;170 8.2;II. Gouvernementalität als Ansatz;173 8.2.1;1. Grundlagen;173 8.2.2;2. Wirkungsweise und Bedeutung;177 8.3;III. Zur Gouvernementalität der Rechtsanwendung;180 8.3.1;1. Regierung, Kriminalität und Recht;181 8.3.2;2. Regierte Rechtsanwendung;187 8.3.3;3. Rechtsanwendung als Regierung;192 8.4;IV. Zusammenschau;197 9;G. Zusammenfassung und Bewertung;200 10;Literaturverzeichnis;205